Leben im Ausland – mein Weg zum erfüllten Expat
Alles fing an mit einem Buch, das mir meine Patentante als Mädchen zum Geburtstag schenkte. Die Geschichte handelte von einem deutschen Mädchen in meinem Alter, das mit seiner Familie nach Marokko ging. Dies wegen der Arbeit ihres Vaters, der Arzt war. Da dachte ich plötzlich: wow, es gibt ein anderes Leben als mein gewohntes in der Schweiz? In einem exotischen Umfeld, wo es meist warm zu sein schien und Muezzins von den Minaretten riefen? Ich war fasziniert.
Später dann, als ich als Jugendliche aus der Kleinstadt zum ersten Mal in London war, wollte ich unbedingt dort leben und arbeiten! Ich hatte dann einen tollen Job bei einem Reiseveranstalter und sehr oft Gelegenheit, „standby“ in meine Lieblings-Metropole zu fliegen. Ich stellte mir das Leben dort sehr cool vor: mondän, crazy und jeden Tag etwas los. Also suchte ich nach Wegen, um dort arbeiten zu können. Ich zog sogar in Erwägung, für ein Callcenter zu arbeiten; allerdings hätte ich als Schweizerin niemals eine Arbeitserlaubnis erhalten, und das Ganze war mir zu unsicher. So bewarb ich mich beim EDA (Eidgenössisches Amt für Auswärtige Angelegenheiten), und so nahm alles seinen Lauf. Nach einem längeren Aufnahmeprozedere begann ich an einem 1. März in Bern, und am 4. Juli sass ich bereits im Flieger, unterwegs nach Moskau. Zwar nicht London, aber hey: noch viel aufregender und exotischer…
Moskau zog mir dann gleich den Ärmel rein, und ich liebte meine zwei Jahre dort. Ich war im Einsatz für die Schweizer Präsidentschaft der OSZE (Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa) anschliessend ging es weiter nach Paris. Immer noch nicht London, aber who is complaining?
Wieder auf der Botschaft, diesmal in der kulturellen Abteilung und Frankophonie. Ein Höhepunkt meines beruflichen Aufenthalts war sicherlich die „Fin de siècle“-Ausstellung, die wir für unsere über 100 in Frankreich akkreditierten Schweizer Künsterlinnen organisierten, und die auf der Botschaft stattfand. Ein grosser Erfolg.
Während dieser Zeit, bei einem Besuch in der Heimat, traf ich auch den Mann fürs Leben. Seither führten wir unser Leben gemeinsam so weiter.
Dieser Weg ist natürlich nicht immer einfach, ganz besonders dann nicht, wenn Kinder dazu kommen und man für diese mitentscheiden muss. Gemeinsam waren wir als Familie in Sri Lanka und im Libanon, jeweils für 4 Jahre. Es sind unbezahlbare Erinnerungen, die wir alle mit diesen Aufenthalten verbinden. Sie haben uns als Familie auch zusammengeschweisst, und Ich möchte sie niemals missen. Sobald ich länger als ein paar Jahre am gleichen Ort bin, bekomme ich „itchy feet“, und es zieht mich weiter… wer weiss, vielleicht sogar irgendwann nach London?
Wie eine Expatriierung in der Realität aussieht, habe ich in die 5 verschiedenen (Grund-)Phasen gegliedert:
Phase 1: Vorbereitung
Aufregung, Glücksgefühle, Bammel, Schmetterlinge im Bauch, diese und mehr Gefühle prasseln in dieser Phase auf künftige Expats ein. Es kommt drauf an, wieviel Zeit einem bleibt für die Planung einer Expatriierung. Falls es mehr als 6 Monate sind, kann man vieles im Vorfeld organisieren. Etwas über den künftigen Wohnort recherchieren, mit Leuten sprechen, die schon dort sind oder waren, Schulen für die Kinder ausfindig machen, allenfalls Prüfungen absolvieren, Dokumente beglaubigen lassen etc. Auch alle anderen administrativen Aufgaben fallen in diese Phase, wie z.B. Wohnort abmelden, Abos abbestellen, Fotos machen, Zügellisten à jour bringen, Post abmelden, Auto verkaufen, usw.
Daneben gibt es viel Gelegenheit für die Expats, sich darüber Gedanken zu machen, was mit den Eltern daheim passiert, falls sie krank werden? Wie ist das Einvernehmen mit den Geschwistern? Wie reagieren die Kinder auf das Weggehen aus ihrer Heimat, werden sie rebellieren? Was ist mit der Partnerschaft; wird es sie belasten, wenn ein Partner plötzlich finanziell vom anderen abhängt? Was kommt auf sie zu am Einsatzort? Ist es sicher, gibt es politische Unruhen? Der Fragen sind viele.
Phase 2: Expatriation
Nun ist es soweit: die Expats haben sich von Familie, FreundInnen und ArbeitskollegInnen verabschiedet und ziehen los. Willkommen in der „alles ist super“-Phase. Neue Gerüche, kulturelle Eindrücke, exotisches Klima, you name ist: alles ist aufregend und genial. Diese Phase ist auch bekannt als „Honeymoon“. In dieser Zeit hinterfragen Expats gar nichts, und versuchen sich all das Neue so richtig bewusst reinzuziehen. Sie geniessen jede Minute ihres aufregenden neuen Lebens voller Enthusiasmus.
Phase 3: Culture Shock und Frustration
Ob in der kleinen oder grösseren Ausführung, früher oder später ist eines garantiert: der Kulturschock. Der erste Begeisterungssturm hat sich gelegt, nun kehrt gewissermassen der kritische Blick ein. All die Dinge, die Expats in der Honeymoon-Phase begeisterten, gehen jetzt so richtig auf die Nerven und erschöpfen sie: Klima, kulturelle Unterschiede, Gerüche, Lärm, etc. Kulturschock oder Kulturstress kommt vom Verlust der familiären Umgebung und Erwartungen. Er wird verglichen mit einer „dis-ease“, also Un-Leichtigkeit/Krankheit und hat seine eigenen Symptome: psychische wie Einsamkeit, Frustration mit sich oder dem Arbeitgeber, Aggression, etc., aber auch physische wie Kopfschmerzen, Schwindelgefühl, Magenschmerzen, eine generelle innere Unruhe. Dann das Klima: ein x-beliebiger Klimawechsel kann mühsam sein. Zum Glück gewöhnen sich unsere Körper wunderbar daran – nach einer bestimmten Zeit (das Blut verdünnt oder verdickt sich nach ca. 3 Monaten) haben wir uns an den Wechsel gewöhnt.
Phase 4: Adaption
Expats sind sich oft nicht bewusst, dass viele ihrer alltäglichen Verhaltensformen einen kulturellen Ursprung haben. Diese einst unsichtbaren Werte und Gedanken werden nun sichtbar, und Expats beginnen ihr kulturelles Selbst zu verstehen. Sie müssen sich den vielen Unterschieden zwischen Heimatland und Gastland nun anpassen. Sie realisieren, dass mehrere persönliche Faktoren beeinflussen, ob dieser Prozess gelingt oder nicht. Wie flexibel wir sind und wie wichtig unsere kulturelle Identität ist.
Expats nehmen gewisse Aspekte oder Werte von ihrem Gastland in ihrer Verhaltensweise an. Wie wir über uns selber denken, ist vielleicht nicht so klar wie damals, als unsere Reise als Expats begann…
Unsere Selbsterkenntnis wird erst klarer, sobald wir in unser Heimatland zurückkehren. Repatriierungsschock (oder reverse culture shock) passiert vor allem, weil das Verhalten der Expats sich während der Abwesenheit dem Gastland anpasste, und weil kein Expat bei der Rückkehr einen Kulturschock erwartet. Dieses Fehlen von Bewusstsein oder falschen Erwartungen kann ebenfalls zu erhöhten Schwierigkeiten führen bei der Repatriierung. Womit wir direkt hier sind:
Phase 5: Repatriierung
Rückkehrende fühlen sich oft so, wie wenn sie nicht mehr in ihre Heimat und ihre Kultur passten. Und finden es deshalb auch schwierig, ihre Familie, Freunde und Kollegen auf der Arbeit zu verstehen. Oder sie könnten auch eine “zusätzliche” (additive) Identität erleben beim Heimkommen, da sie die im Ausland erlebten Werte und Verhaltensweisen mit ihren eigenen verwoben haben. Trotzdem kann es passieren, dass, wenn man diese adaptierten Werte und Verhaltensweisen daheim anwendet, es Unwohlsein und Stress verursacht für Zurückkehrende. Deshalb könnte es zu einer Doppeldosis von Repatriierungsschock führen, für die Repats und für ihre Kollegen. Diese Schwierigkeiten erscheinen auf den ersten Blick immens. Aber mit verschiedenen praktischen Strategien kann man Expats dabei helfen, mit ihren Identitätsveränderungen klarzukommen, damit sie in ihrer Heimatkultur wieder ankommen.
Die 10 Voraussetzungen um als Expat im Ausland Erfüllung zu finden
Ein Leben im Ausland ist nicht jedermensch’ Sache. Bei diesen 10 Voraussetzungen sollten künftige Expats gründlich für sich überlegen, ob sie diese mitbringen, bevor sie eine Entsendung oder Auswandern ins Auge fassen:
- Robuste Gesundheit: das Leben und die Arbeit im Ausland findet oftmals unter erschwerten Bedingungen statt und erfordert eine gute gesundheitliche Prädisposition. Insbesondere wenn die medizinische Versorgung im Gastland zu wünschen übrig lässt
- Mentale Stärke: genau so wichtig wie die physische Gesundheit ist auch die psychische. Wir sollten zumindest so stark sein, dass uns nicht der leichteste Gegenwind aus dem Gleichgewicht bringt.
- Heimweh: für mich Trigger Nr. 1. Wenn jemand sehr stark unter Heimweh leidet und partout nicht ohne die Schweizer Berge sein kann (oder die Mama), wird es sehr schwierig und man sollte den Entscheid nochmals überdenken.
- An open mind and an open heart: Wenn wir dem Neuen mit offenem Herzen begegnen und empfänglich dafür sind, können wir so viel Tolles aus unserer Zeit im Ausland mitnehmen. Wir sollten offen gegenüber den neuen Erfahrungen sein und nicht alles mit daheim vergleichen. Manches ist schlechter, manches auch besser, jedenfalls sind wir nicht der Nabel der Welt!
- Flexibilität: Meistens kommt es im Ausland anders als man denkt. Es klappt vieles nicht auf Anhieb und wie daheim, oder es geht gänzlich schief. Dies gibt uns die Chance zu lernen, wie wir auf Unvorhergesehenes reagieren und wie flexibel wir auf Planänderungen eingehen können.
- Auf Menschen zugehen können: Leider hat niemand auf uns gewartet. Es liegt deshalb an uns, Kontakte im neuen Gastland zu knüpfen. Dies fällt extravertierten Menschen sicher etwas leichter als introvertierten. Aber es ist nicht unmöglich. Übrigens: auch Kontakt mit den Lieben daheim zu pflegen, fällt meines Erachtens eher in die Verantwortung des Expats
- Anpassen: So wie wir erwarten, dass sich Expats bei uns anpassen, sollten wir es im Gastland ebenfalls handhaben. Sich als Fremde/r ab sofort ausschliesslich im Sari zu kleiden oder mit der Hand zu essen ist damit nicht gemeint. Es wird im Gastland auch eher belächelt denn ernst genommen.
- Stabile Beziehung: Wer sein Glück als Expat zu zweit versucht, sollte schon vorher eine intakte Beziehung haben, denn Auswandern (auf Zeit) wirkt sich sowieso stressig auf einen aus. Instabile Beziehungen werden so wenig im Ausland gerettet wie ein Baby eine kaputte Ehe kitten wird
- Mit Schuldgefühlen umgehen können: Teenager-Kinder aus ihrer gewohnten Umgebung zu reissen, ist kein Picknick! Und war für mich selber der ultimative Knackpunkt. Frustrationsgefühle der Kinder werden meist an den Personen ausgelassen, die am empfänglichsten dafür sind. In unserem Fall war ich diejenige mit dem schlechten Gewissen.
- Gute Vorbereitung: ist das A und O jeder erfolgreichen Relocation. Unabdinglich dazu gehören minimale Fremdsprachen-Kenntnisse, genügend Bargeld für den Anfang, eine Krankenkasse, und evtl. ein Plan B … Bei AuswanderInnen kommt sicher noch ein Rekognoszierungsbesuch dazu und Überlegungen wie: z.B. mir gefällt zwar die finnische Abgeschiedenheit sehr, aber kann und will ich als soziale Person wirklich so abgeschieden leben? Oder als „Landei“ plötzlich in einer lärmigen 24h-Metropole in China leben? Da müssen wir ganz ehrlich mit uns sein, ob wir das wirklich möchten.
Spielst du selber mit dem Gedanken, ins Ausland zu gehen? Möchtest du mit jemandem sprechen, der bereits fundierte Erfahrungen hat, sowohl als Angestellte als auch als mitausreisende Partnerin? Ich freue mich, wenn ich dich ein Stück weit begleiten darf auf diesem Weg.
*Expatriate, kurz Expat von lat. Ex = hinaus Patria = Vaterland), bezeichnet häufig eine Fach- oder Führungskraft, die von einer international tätigen Organisation oder einem Wirtschaftsunternehmen, bei der sie beschäftigt ist, im Rahmen einer Auslandsentsendung vorübergehend an eine ausländische Zweigstelle entsandt wird versus
Auswandern/Emigration (lat. ex = hinaus Migrare = wandern ist das Verlassen eines Heimatlandes auf Dauer