Zwischen Rückkehr und Alltag

Dank unseren lieben Kollegen der italienischen Botschaft sind wir genau heute vor 6 Monaten wieder in Bern angekommen. Und zwar nach einer Odyssee an Bord eines Evakuationsflugs von NeosAir (!) von Beirut nach Mailand, mit Zwischenlandungen in Amman und Rom, Übernachtung im Flughafen-Hotel, mit Taxi und Zug via Domodossola in die Schweiz. 

Inzwischen haben wir uns gut wieder eingelebt in der alten Heimat; und es wird Zeit für eine kleine Zwischenbilanz, wie es einem ergehen kann, wenn frau aus dem Middle East in die Schweiz zurück kehrt (s. auch mein Blog 6 Monate in Beirut)

Um es gleich vorweg zu nehmen: Das beste am Hiersein ist, wieder vereint zu sein mit unserem älteren Sohn, wenn auch nicht in derselben Wohnung. Die Trennung während der Revolutions-Unruhen, Wirtschaftskrise und dann Corona waren für beide Seiten schwierig. Auch Familie und FreundInnen wieder in der Nähe zu wissen, ist wunderbar.
Hier ein paar weitere Erkenntnisse:

Der befürchtete Reverse Culture Shock (also der Kulturschock, der einen oft erwartet bei der Rückkehr ins eigene Land) blieb diesmal aus und wurde zur Gänze von der Corona-Krise überdeckt/ersetzt.

Du geniesst die Ruhe und den Frieden bei Spaziergängen im Wald bewusster denn je und kannst gar nicht genug bekommen von der frischen Luft 

Auch dein Hund entdeckt neue Freiheiten ohne Leine und braucht ein Name-Tag, seit er ausgebüxt ist

Du hast Angst davor, von einem Velofahrer, insbesondere auf einem E-Bike überfahren zu werden

Der Winter erwischt dich auf kaltem Fuss: Du hast entweder keine warmen Kleider mehr, oder sie sind alle démodé. Und sowieso: es ist viel zu kalt

Du bringst es auch nach einem halben Jahr nicht auf die Reihe, deine Zeitungen akkurat zu bündeln…und wenn Du dein Altpapier-Bündel zu früh oder zu spät auf den Bordstein legst, rammt es dir ein Nachbar wieder in den Milchkasten 

Es gibt eine funktionierende Demokratie, Du darfst wählen und kannst auch sonst ganz vieles beeinflussen, wenn dir etwas nicht passt

Du findest es sonderbar, dass Leute sich beklagen, wenn „der Staat“ ihnen etwas vorschreibt, wie zB. Masken tragen im ÖV und sich deswegen gleich bevormundet fühlen 

Die Menschen sind pünktlich und verlässlich

Call Centers rufen neuerdings auf deinem Handy an 

Du kannst nicht „den Verkehr“ Schuld geben beim zu spät kommen

Du bist geschockt über die Medikamentenpreise, und Du brauchst für ALLES ein ärztliches Rezept

Du bist beleidigt, dass der Arzt deines Vertrauens seine Handy-Nr. nicht herausrückt

Deine Kinder kennen nur die Duz-Form

Es gibt keine Möglichkeit, mitten in der Nacht Linsenwasser zu bestellen oder sonst was, das Du vergessen hast einzukaufen

Du verbrennst dir die Zunge am heissen Essen

Der Oeffentliche Verkehr existiert und funktioniert wie am Schnürchen, und Du bist nicht mehr abhängig von uber

Am Sonntag kannst Du nicht gemütlich deine ganzen Wocheneinkäufe tätigen

Bereits wenn Du nur in deinem Auto Platz nimmst, hast Du das Gefühl, etwas falsch zu machen. Ein Gefühl, das dich auch sonst oft begleitet, denn die selbst ernannten Ordnungs- und Lärm-PolizistInnen lauern überall

Du kannst zu zweit nebeneinander auf dem Trottoir gehen – und dort liegt keine Hundekacke 

Obwohl Du deine Hände 20x am Tag eincremst, sie sind immer noch trocken

Du hast keine Freie Sicht mehr aufs Mittelmeer, stattdessen spazierst Du zum lokalen Ententeich!

And, for some trivia: Während die frühere Internationale Schule deiner Kinder einen Superstar und Sympathieträger wie Keanu Reeves beherbergte, macht die neue Internationale Schule des Sohnes leider keinen Staat mit ihrem früheren Studenten Kim Jong-un...

Beatrice Rieben - Life(Style), Confidence & Expat Coach