Mit Kindern im Ausland

erstes Schuljahr in Colombo

Mit Kindern im Ausland zu leben ist eine Entscheidung, die es in sich hat. Anstatt nur für sich selbst zu urteilen, ob dies ein geeigneter Weg für einen wäre, gilt es das Kindswohl noch mehr im Auge zu behalten und die ganzen Konsequenzen des Weggehens.

Heute teile ich etwas von meinen Weisheiten darüber, was es zu bedenken gibt, bevor man mit Kindern ins Ausland zieht.

Wir waren mit unseren Kindern zweimal für 4 Jahre im Ausland, beim ersten Mal zwischen 2008 und 2012 in Sri Lanka, als die Buben recht klein waren und dann etwas später, als sie Teenager waren, im Libanon. 

In Colombo wählten wir eine private internationale Schule mit englischem Curriculum (mit A-Level als Abschluss), aus dem einzigen praktischen Gründen, dass sich damals Sri Lanka noch in seinem 30jährigen Bürgerkrieg befand, und wir wollten eine Schule, die in Nähe zu Wohn- und Arbeitsort lag; deshalb fiel die Wahl auf die CIS (Colombo International School). Akademisch war es uns damals egal und spielte bei einem 5- und 8-jährigen kaum eine Rolle. Hauptsache, die Kinder waren gut aufgehoben. Wir waren ausserdem nicht sicher, ob uns unser Weg dereinst in ein anderes Land führen würde. 

Assembly

Book Week

Anschliessend verbrachten wir die nächsten 4 Jahre wieder in Bern, die Kinder an einer öffentlichen Schule, zu der sie auch nicht mehr gefahren werden mussten… das Zur-Schule-Gehen musste übrigens der Kleine, damals 9, erst lernen. Er kannte das Konzept des Zu Fuss Gehens schlicht nicht – und stolperte ohne rechts und links zu schauen über die Strasse. Es waren ein paar angstvolle erste Monate für mich. Irgendwann musste ich ihn dann alleine ziehen lassen.

Als dann klar wurde, dass es für die nächsten vier Jahre nach Libanon ging, mussten wir uns gemeinsam entscheiden, welches Schulsystem in Frage käme. Nach Abklärungen auch mit anderen Eltern entschieden wir uns für die ACS (American Community School) in Beirut, die einen tadellosen Ruf geniesst (berühmte Alumnis wie Zaha Hadid, Greg Kinnear und Stewart Copeland sind Beweis dafür, dass einer kreativen Karriere nichts im Wege steht…) Um aufgenommen zu werden, mussten die Kinder einen Sprach- und Mathematiktests in einem ISEE Prüfungscenter in Genf absolvieren. Danach war der Grosse zugelassen an der High School, der Kleine stand noch auf der Warteliste der Middle School, weil es zuerst keinen Platz hatte. Das Prozedere war sehr aufwendig: Es mussten Dokumente der letzten drei Jahre übersetzt, beglaubigt und eingereicht werden. Man merke: je älter die Kinder, desto komplizierter das Vorgehen und Wegziehen! 

Nachdem unser Grosser nach 3 Jahren Highschool seinen amerikanischen Highschool-Abschluss sowie das IB (International Baccalauréat) im Sack hatte, ging er ein Jahr vor uns in die Schweiz zurück; der Kleinere beendete erst Middle School und dann war er 2 Jahre an der Highschool. Zurück in der Schweiz bleibt er für die verbleibenden 2 Jahre bis zum IB in einer internationalen Schule. Insgesamt waren die Kinder also in 3 verschiedenen Schulsystemen. Wenn wir ihnen noch das französische System aufgezwungen hätten, was theoretisch für eine Schweizer Familie im dreisprachigen Libanon Sinn ergeben hätte, wäre der Geduldsfaden der Jungs definitiv gerissen. Man kann ihnen nicht alles zumuten. 

Graduation Sommer 2019

Bei Kindern, die aus zwei Kulturen kommen, ist es sicher noch schwieriger, sich für ein Schulsystem zu entscheiden. Für uns als Familie aus nur einer Kultur und einer Familiensprache fällt dieser Punkt weg. Ich kenne zahlreiche Eltern, die bi-national sind, und hier gilt es einiges zu bedenken. zB. in welcher Sprache spreche ich mit meinem Kind, und welches ist unsere Familiensprache? Wo soll es dereinst studieren oder seine Berufsbildung machen? Wird es ein einmaliger Ausland-Einsatz sein oder werden wir dieses Leben für ein paar Jahre führen, bis die Kinder die Schulen abgeschlossen haben? Werden die Kinder in einem der DACH-Länder studieren oder in Übersee. Wer trägt die immensen Kosten? Nicht wenige Expat-Familien haben mehr als 3 Kinder… Es ist sicherlich von Vorteil, sich für ein Ausbildungssystem zu entscheiden, das es überall auf der Welt gibt, zB. das Französische. Dies wird dann zur Folge haben, dass man sich auch nur auf Posten bewirbt in Ländern, in denen diese Schulen vor Ort sind. Oder man möchte seine Kinder homeschoolen…!

Wenn man aus einem Land wie der Schweiz, Österreich oder Deutschland kommt, wird es hingegen kompliziert mit den Abschlüssen. Auch mit IB-Zertifikat ist man nicht automatisch an einer Uni daheim zum Studium zugelassen. Es braucht erstens eine bestimmte erreichte Punktzahl (mind. 32 für Bern z.B., für die ETH 38!). Künftig Studierende müssen genau hinschauen bei der Fächerwahl, die sie für die zwei letzten Jahre vor dem Abschluss des IB treffen. Gewisse Fächer, die in den US und England dazu gehören wie zB. Psychologie oder Kunst, werden in der Schweiz oder Deutschland nicht akzeptiert. Hier würde ich mir für unsere Kinder etwas mehr internationale Kompatibilität wünschen. Mit dem französischen Baccalauréat scheint es diese Probleme an französischsprachigen Unis in der Schweiz nicht zu geben.

Optionen
Es ist wichtig, den Kindern Alternativen zu bieten. In Vorbereitung zu unserem erneuten Absprung aus der Schweiz nach Beirut in 2016 holte ich mir damals Unterstützung bei meiner Büro-Nachbarin, einer Psychologin. Sie gab mir folgenden nützlichen Rat: Jugendliche um die 16, obwohl noch minderjährig, sollten nach Möglichkeit eine Option haben bei solchen Entscheidungen. Sie dürfen nicht mehr einfach vor Tatsachen gestellt werden; sie sollten wählen können, ob sie mitkommen oder ob sie daheim bleiben. Was ich schweren Herzens tat. Und woran sich heute leider keiner mehr erinnern kann… Jedenfalls entschloss sich das Kind damals, mit uns mitzukommen und den akademischen Weg vorerst weiterzugehen, mit dem IB als Ziel. 

Special Needs
Für Kinder mit Special Needs gibt es nicht in jedem Land genügend angemessene Betreuungs- und Schulungsmöglichkeiten. Der Standard in der Schweiz und viele europäische Ländern ist sehr hoch und muss für andere Länder abgeklärt werden. 

Berufswahl
Ich bin sehr stolz auf unser durchlässiges Bildungssystem in der Schweiz. Es ist genial, dass ich hier eine Berufslehre machen kann z.B. in einem praktischen Umfeld und wenn ich dann möchte, jederzeit ein Studium an einer Fachhochschule oder einer Universität absolvieren kann. So ist auch für SpätzünderInnen der Zug nie abgefahren. Without breaking the bank! Um den Expat- Kindern überhaupt Zugang zu diesem Lehrsystem zu ermöglichen, sollte man zu diesem Zweck am besten in der Schweiz sein. Unter anderem aus diesem Grund liessen wir uns damals auch nach Bern zurückversetzen, als unser Grosser in die 6. Klasse kam. Damit er die Möglichkeit hatte, in verschiedene Berufe reinzuschnuppern und sich frei entscheiden konnte. 

Andere Eltern möchte ich ermutigen, den gleichen Weg zu gehen, wenn sich die Chance ergibt. Die Ausland-Erfahrung mit Kindern ist unbezahlbar und einmalig, und ich würde es sofort wieder tun. Es ist nicht immer einfach, und das schlechte Gewissen, meine Kinder aus ihrem gewohnten Umfeld gerissen zu haben, war mir eine zuverlässige Begleiterin. Sicher auch deshalb, weil es während meiner eigenen Kindheit nicht üblich war, diese woanders zu verbringen als am gleichen Ort, wo auch meine Gspändli waren. 

Und meine Kinder jetzt? Würden am liebsten mit dem nächsten Flugzeug nach Beirut, ihre Freunde besuchen und die Stadt, die ihnen eben auch ans Herz gewachsen war! 

Beatrice Rieben - Life(Style), Confidence & Expat Coach