BlattChaya wo „Plättli auswählen“ eine neue Dimension bekommt


Beyrouth Accueil, ein Netzwerk für französisch sprechende Expats in Beirut, organisiert interessante Ausflüge für seine Mitglieder, so wie vor einer Weile nach Dekaneh, in die nähere Banlieue von Beirut. Ein unscheinbares Haus, abseits der Hauptstrasse gelegen, beherbergt den Familienbetrieb Blattchaya, ein Handwerksbetrieb für traditionelle, manuell hergestellte libanesische Fliesen oder Plättli, wie wir Schweizer sie nennen. Begrüsst wurden wir vom Patron des Betriebs, Herr Edgard Chaya, einem 88jährigen sehr dynamischen Herrn und seiner Enkelin, die ebenfalls im Betrieb arbeitet. Dazu erwartete uns ein grosszügiges Buffet bestehend aus frisch gepressten Säften und Manouché (eine libanesischen Teig-Spezialität), Schokolade etc.

Nachdem wir uns verpflegt hatten, die meisten von uns wohl zum zweiten Mal an diesem Morgen… erzählte Herr Chaya etwas über sein Herzensprojekt BlattChaya.  Ein Familienunternehmen, das sich der Produktion der traditionellen farbigen Zementfliesen verschrieben hat. Was heisst denn BlattChaya überhaupt? „Blatt“ heisst Carré (kariert) und „Chaya“ entspricht dem Familiennamen.

Wir erfuhren, dass der Betrieb bereits 1881 gegründet wurde und 3 Generationen lang in Familienhand war, bevor er irgendwann während der 40er-Jahre seine Produktion einstellte.  1996 war es, als Edgard Chaya, eben pensioniert und begeisterter Fischer, versehentlich auf eine kleine Kiste stiess, die ihn schliesslich ein schlafendes Familienbusiness entdecken liess, über das er sehr wenig wusste. Er übernahm die Firma, zu einem Zeitpunkt, an dem sich andere in ihrer wohlverdienten Pensionierung zurücklehnen.  

Edgard war fasziniert von dem, was er erfuhr, und Erinnerungen an seine Vorfahren wurden wach. Selber ein ausgewiesener Handwerker, war es für ihn nur natürlich, dass er sich daran machte, die Prozesse rund um das traditionelle Handwerk und diese lang vergessene Kunstform wieder zu entdecken. Es brauchte die Geduld eines älteren Herrn, die Ausdauer und Beharrlichkeit, bis er nach 6 Jahren tüfteln Fliesen produzierte, die genau gleich aussahen wie diejenigen seines Grossvaters. Indem er die selben traditionellen Inhaltsstoffe gebrauchte, nämlich natürliche Farben und Handarbeit. Was ursprünglich als Hobby angefangen hatte, weckte schnell das Interesse von Freunden und Bekannten, aber auch von Architekten und Restaurationsexperten. Solche Erfolgsgeschichten bleiben nicht lange ein Insider-Tipp, und mittels Mundpropaganda entwickelte sich rasch eine grosse Nachfrage nach den traditionellen Zement-Fliesen. Niemand hätte sich vorstellen können, dass 60 Jahre nachdem die letzten Ziegel vom (manuellen) Stapel liefen, BlattChaya seine Produktion erneut aufnehmen würde. Inzwischen hat sich das Familienunternehmen im ganzen Mittleren Osten einen Namen gemacht als einziger Produzent von handgemachten traditionellen farbigen Zementfliesen.  

Wir haben inzwischen einen ersten Augenschein genommen von der riesigen Auswahl an alten, modernen, neuen und vintage Fliesen und gingen dann auf die Terrasse; dort waren nochmals hunderte von Exemplaren ausgelegt. Ich liebe diese farbigen mediterranen Plätlti und habe sie bereits bei unserem ersten Besuch in Beirut überall bewundert und fotografiert. Wir hörten den Ausführungen von Herrn Chaya zu, bevor wir uns in die Produktionshalle begaben. Dort arbeitet ein halbes Dutzend Männer in einem Raum, dessen Wände aus Wellblech bestehen und kaum der schweizerischen Norm entspricht. Ohne Masken und Schutzschuhe ausgestattet, stehen sie an einem zweifelhaften Wasserablauf, in dem hellblaues (?) Wasser dümpelt. Im Winter ohne Heizung sicher eisig kalt, stellten uns vor, wie heiss es im Sommer war. Den Arbeitern bei ihrem Kunsthandwerk über die Schulter hingegen,  war so schön und beruhigend, dass wir schier in Trance gerieten.

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Zuerst werden die Farben vom Farbtopf in die vorgesehene Schablone geleert, auf ein vorliegendes Muster, dann wird der Zement drauf gestreut und zu guter Letzt wird das Plättli manuell gepresst. Der ganze Vorgang dauert zwischen 3 und 7 Minuten. Je nachdem wie viele Farben in einem Carré sind, so vergrössert sich der Aufwand und der Preis. Dann werden die Kacheln getrocknet, und später kommen sie ins Wasserbad. Der Quadratmeter kostet je nach Aufwand zwischen 160 und 250 $.

Als Souvenir dürfen wir unser eigenes Plättli auswählen, das, ich bei mir als Untersetzer benutze. Und sollte ich einmal unerwartet zu einem Haus am Mittelmeer kommen, weiss ich, wo ich die passenden Fliesen dazu finde.

Beatrice Rieben - Life(Style), Confidence & Expat Coach