Wie einem Virus und Hund fast die Rückreise vermiesen kann
Genau vor einem Jahr war es, als wir mit dem Zug aus Domodossola in Bern einfuhren und in die Schweiz zurück kehrten. Dem ging allerdings eine abenteuerliche Geschichte und Reise voraus.
1 Monat vorher
Ich war eine Zeitlang nur mit dem Organisieren von Repatriierungsflügen beschäftigt: zuerst aus dem Lockdown von Bern zurück nach Beirut, hauptsächlich um beim Packen zu helfen und Abschied zu nehmen von Beirut, dann von dort wieder zurück. Im Libanon war die Pandemie nicht die einzige Krise, die das Land durchschüttelte, auch wirtschaftlich sah es seit den Unruhen im Oktober 2019 arg aus.
Es stellte sich heraus, dass es der MEA (Middle East Airlines) ernst war damit, keine Haustiere mehr zu transportieren, die eine kurze Nase haben. Es stellte sich weiter heraus, dass auch keine anderen Airlines mehr Bulldoggen und Co. mitnahmen, wie meine Abklärungen ergaben. Anscheinend ging dieser IATA-Entscheid zurück auf einen Skandal bei Air Canada. Dort waren auf einem Flug unzählige Welpen derselben Rasse verendet – zurückzuführen auf Atemprobleme infolge Überzüchtung. Dass unser Hund keinerlei Probleme hatte und dieser Trip keine Premiere war, unser Tierarzt dafür ein Zeugnis ausstellte, all dies stiess auf taube Ohren. Also schauten wir uns nach Alternativen um: eine war, mit einer Yacht nach Zypern zu fahren; die Kosten von 2000$ wären noch über den Abenteuer-Faktor abzubuchen gewesen, aber der Arbeitgeber des Hubbys winkte aus Versicherungsgründen sofort ab. Ausserdem wären wir wieder auf einer Insel gewesen und befanden uns in einer Pandemie, d.h. Cyprus Air hätte uns und unseren Hund zwar mit einem Repatriierungsflug ebenfalls nach Larnaca mitgenommen, aber weiter wären wir nicht gekommen, weil der Zürich-Flug noch nicht wieder aufgenommen worden war… eine verzwickte Lage. Eine deutsche Transportfirma, die auch schon mal ein paar Ponys für jemanden nach Libanon eingeflogen hatte, zeigte sich ebenfalls nicht kooperativ. Eine Taxifahrt durch Syrien in die Türkei liessen wir uns kurz durch den Kopf gehen, verwarfen die Idee aber wieder aus offensichtlichen Gründen… Letzter Strohhalm wäre ein Private Jet gewesen! Von den Kosten ganz abgesehen: die Jets waren eh die meiste Zeit ausgebucht von libanesischen Geschäftsleuten, die während des Lockdowns hin und her flogen, aber es hätte sicherlich eine gute Geschichte abgegeben…
Umso erleichterter waren wir über die Grosszügigkeit der italienischen Botschaft und von NeosAir, uns und den non grata Hund mitzunehmen. Notabene ohne die üblichen Zusatzkosten fürs Handling von Stella!
1 Woche vorher
Am 26. Juni sollten wir also, mein jüngerer Sohn und Stella (the dog) mit dem Evakuierungsflug von NeosAir nach Mailand zurück fliegen. Der Hubby würde eine Woche später mit MEA nachkommen, soweit der Plan...
Als der Wecker am Tag X klingelt, greife ich als erstes zum Handy und finde dort folgende Nachricht vom italienischen Konsul vor: „Beatrice, Du hast sicher davon gehört, dass der Flug für heute gestrichen wurde! Ziemlich sicher geht er stattdessen in einer Woche.“ Der Hubby neben mir muss fast brechen, als ich es ihm vorlese, mich überrascht inzwischen nichts mehr. Er hätte uns gerne sicher daheim gehabt und dann in Ruhe die Mission in Beirut abgeschlossen. Auch war unsere Wohnung gekündigt und wir mussten per 30. Juni draussen sein. Die Möbel, die nicht mit dem Container mitgingen, hatte ich an verschiedene Leute verscherbelt oder verschenkt; und die letzten Sachen sollten in den nächsten Tagen abgeholt werden, unter anderem das Bett unseres Sohnes… Wir buchen dann ein AirBnB für eine Woche, das sich als inakzeptabel herausstellt, als wir mit 100kg Gepäck und bei 30 Grad dort auftauchen. (6. Stock, Lift ausser Betrieb). Da bin ich fast ausgeflippt.
Wir entwickeln bei "Paul" einen Schlachtplan für die nächste Woche. Das Hilton Beirut Downtown nimmt uns schliesslich mit Hund auf, und so verbringen wir nochmals eine Woche - in Stil zwar - aber leicht beunruhigt, ob es am Freitag klappen würde.
3. Juli 2020
Es sieht gut aus. Als keine weiteren whatsapp eingehen, bestellen wir ein letztes Mal bei HighTaxi ein grosses Auto für unsere vielen Koffern, an den Flughafen. Mein neuer italienischer Freund und Mann der Stunde steht bereits mit Schweissperlen auf der Stirn beim Check-In und organisiert die Einstiegskarten für all seine Schäfchen, die heimgeflogen werden müssen. Mit 3 Stunden Verspätung gehts los, mit einer Extra-Zwischenlandung in Jordanien, wo wir weitere gestrandete Familien mit und ohne Haustiere mitnehmen. Stella darf ausnahmsweise mit uns in der Kabine mitfliegen und bleibt die ganze Zeit über mucksmäuschenstill; kaum jemand bemerkt überhaupt, dass ein Hund mit an Bord ist. In Amman muss sie dann leider ins Cargo und findet es gar nicht glatt. Nach einer weiteren Zwischenlandung in Rom (!) landen wir schliesslich kurz vor Mitternacht in Milano Malpensa und sind noch lange nicht daheim, aber weiter kommen wir heute nicht mehr. Deshalb nehmen wir uns völlig erschöpft ein Hotelzimmer. Am nächsten Tag entscheiden wir uns dann wegen all des Gepäcks für eine Taxifahrt bis Domodossola und von dort mit dem Zug nach Bern. Wo wir endlich unseren Grossen in die Arme schliessen können und als Familie wieder vereint sind.
Was für eine Odyssee! Ich hoffe sehr, dass sich die Versetzung für andere Familien (mit und ohne Haustier) dieses Jahr einfacher gestaltet. Und dass sie „Closure“ finden und sich vor allem die Kinder richtig verabschieden können von ihren Gspändli im Gastland.