“Wir” haben einen neuen Präsidenten

Im Mai 2014 ist der letzte Präsident Libanons, Michel Suleiman, von der politischen Bühne abgetreten. Seither hat man in über 40 Anläufen versucht, einen neuen Präsidenten zu wählen. Ohne Erfolg. Weil nie eine Mehrheit dafür war, ist es nie dazu gekommen. Bis heute.

Als der Libanon im Jahr 1943 von Frankreich unabhängig wurde, kam es zwischen dem damaligen maronitischen (christlichen) Präsidenten Bechara El Khoury und seinem sunnitischen (moslemischen) Premierminister Riad Al Solh zu einem Gentleman’s Agreement. Dieses sieht vor, dass der Präsident der Republik jeweils ein Maronit ist, der Premierminister ein Sunnit, und der Parlamentssprecher ein Schiit

Letzten Donnerstag erreichte uns aus heiterem Himmel (jedenfalls für Aussenstehende wie uns) die Nachricht, dass voraussichtlich heute Montag ein neuer Präsident gewählt werden solle, und zwar Michel Aoun. Im Gegensatz zu all den vorherigen Versuchen, sei es diesmal wirklich so weit. Auf Wikipedia wird er sogar schon am Morgen des 31. Oktobers als Präsident von Libanon aufgeführt. Alle Schulen wurden für heute auf staatliche Anordnung geschlossen; und wir wurden angewiesen, uns von der Innenstadt und weiteren heiklen Bereichen fernzuhalten. Mit heikel meine ich, dass in Situationen wie dieser, aber auch bei Hochzeiten, Beerdigungen, nach Reden etc. oftmals feierlich in die Luft geschossen wird und solche Rückläufer haben schon Leute umgebracht. Andere Länder, andere Sitten.

Es bleibt dann zum Glück recht ruhig. Als ich am Morgen mit dem Hund spaziere und auf dem Weg ins Gym, fällt mir ein grosses Helikopter-Aufgebot auf. Dies erinnert mich an unsere Anfangszeiten in Sri Lanka in 2008, als der jahrzehntelange Bürgerkrieg noch im Gange war. Nachdem Michel Aoun einstimmig zum neuen Präsidenten gewählt wird, hören wir tatsächlich von weitem Feuerwerk und Schüsse.  Dann nimmt das Leben in Beirut wieder seinen normalen Lauf.

Beatrice Rieben - Life(Style), Confidence & Expat Coach