Menschen in Beirut #1
Sarah Beydoun -
Gründerin und Inhaberin von Sarah's Bag
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Geschäftssitz und Show-Room von Sarah’s Bag sind so gut versteckt in Gemmayze, dass mich der nette Herr von Fransa Bank (die mir als Landmark angegeben worden ist), dorthin begleitet. Ich werde bereits von Maya, der Verantwortlichen für Marketing und PR erwartet und herzlich begrüsst. Sie zeigt mir den Showroom, bis Sarah soweit ist. Es gibt vieles zu bestaunen. Die neuen Prunkstücke der FW16/17 Edition „Psychedelia“ sind ausgestellt, absolut traumhaft. Das Haus selber sieht so aus, als ob man gerne drin wohnen würde. Aber wie mir später Sarah bestätigen wird, wären dies für ein Wohnhaus zu romantische Gedanken. Es wird einfach zu kalt im Winter, aber für ein Geschäft und dessen Ambience ist es unschlagbar.
Dann taucht Sarah auf. Sie lädt mich sofort in ihr Büro ein und interessiert sich als erstes für meine Person. Ich erkläre ihr meinen Blog und dass ich damit bezwecke, meinen LeserInnen den Libanon und seine BewohnerInnen aus verschiedenen Aspekten näher zu bringen. Für meine Serie „Menschen in Beirut“ habe ich einen Standard-Fragebogen mit absichtlich wenigen Fragen, die dafür auch ein Gespräch erlauben sollen.
Sarah, wo bist Du geboren und aufgewachsen?
Ich bin in Beirut geboren und aufgewachsen, wir haben in der Nähe von einem Pinienwäldchen gelebt. Ich habe einen Bruder, der in Dubai wohnt und eine Schwester, Malek, die ebenfalls im Unternehmen tätig ist. Meine Eltern wohnen im Libanon, meine Mutter arbeitet ebenfalls sporadisch für Sarah’s Bag.
Meine Kindheit habe ich als unbeschwerte Zeit in Erinnerung, trotz andauerndem Krieg im Libanon. Wir sind damals häufig umgezogen. Je nachdem wo es gerade ruhiger war, sind wir in eine andere Gegend gezogen, manchmal zu den Grosseltern in die Berge, dann zu einer Tante, usw. Für die Eltern war das damals unerträglich, für uns einfach normal. Kurz nachdem ich mein Studium in England aufgenommen habe, war der Krieg zum Glück vorbei. Ich bin verheiratet und habe zwei Söhne, 14 und 11 Jahre alt. Ich liebe meine Arbeit so sehr, dass ich sie gleichzeitig als Hobby betrachte. Ansonsten liebe ich es zu tanzen, insbesondere „Bellydancing“. (deutet auf meine Sarah’s bag). Die Tasche, die Du trägst zB. ist vom Bauchtanzen inspiriert; alle meine Taschen haben irgend einen Bezug zu meinem Leben und mir.
Welches ist deine liebste Kindheitserinnerung?
Ich erinnere mich an unbeschwerte endlos lange Sommer, die wir als Kinder im Süden von Libanon im Haus meiner Grosseltern verbrachten. Einmal, während des Krieges, waren wir dort während 3 Monaten praktisch isoliert und man konnte nicht weg; uns war das egal, ich erinnere mich, jenen Sommer praktisch im gleichen T-Shirt, Jeans und Flipflops verbracht zu haben. Wir waren den ganzen Tag am Strand, barfuss, haben gebadet, gelernt zu fischen, und unsere Erziehung fand quasi in der Natur statt. Du solltest unbedingt mal dorthin fahren, meine Tante führt ein Bed & Breakfast, es ist wunderschön.
Welche Wünsche in deinem Leben haben sich erfüllt? Und von welchen träumst Du?
Ich träumte immer von einem erfüllten Leben. Schon immer war ich voller Energie und ein bisschen verrückt. Ich wollte und habe vieles ausprobiert, auf der Suche nach Erfüllung. Die meiste Zeit habe ich mich dabei gelangweilt. Ich wusste eigentlich nicht was studieren, habe dann Soziologie studiert. Aber es war mir nicht klar, in welche Richtung es nachher gehen sollte, es interessierte mich auch für vieles. Kurz nachdem ich die Arbeit mit den Gefängnisinsassinnen entdeckt habe, war ich entflammt. Die folgenden 2 Monate habe ich kaum geschlafen. Dies war genau, das was ich suchte. Diesen sich schliessenden Kreis. Ich gebe eine Tasche bei einer Arbeiterin in Auftrag, sie holt die notwendigen Utensilien in Beirut ab und nimmt die Arbeit zu sich ins Dorf, wo sie weitere Arbeiterinnen anlernt. Dann kommen die Taschen zurück nach Beirut und werden hier fertiggestellt. Die Kundin freut sich an diesem (fast) Einzelstück und zahlt einen fairen Preis dafür. Zukunftspläne hege ich keine langfristigen, die Lebenssituation hier ist zu wenig voraussehbar. Oftmals wenn ich etwas geplant hatte, musste ich wieder alles auf den Kopf stellen, weil sich plötzlich die Situation änderte. Ich möchte zwar expandieren, aber nur soweit, dass ich es überblicken kann und meine Vision, hiesige Arbeiterinnen zu beschäftigen gewährleistet ist. Ich liebe jeden Aspekt meines Geschäfts. Ich kann kreativ sein, beschäftige mich mit Design, Marketing und finanziellen Belangen, aber ich bleibe auch in Kontakt mit den unterprivilegierten Frauen. Lange habe ich mich davor gescheut, mich als Designerin zu bezeichnen. Ich hatte schliesslich gar keine Ausbildung dazu. Wie auch immer, mit der Zeit tat ich dies, kamen doch Praxis und Erfahrung dazu.
Welches Wort auf arabisch muss ich unbedingt lernen und was heisst es?
„Yalla!“ Yalla ist ein sehr positives, energetisierendes, aktives Wort. Es kann heissen: „los“, gehen wir, oder let’s do this, das machen wir. Oder yalla, yalla: hopp hopp.
Dieses erste Interview war ein erfolgreiches. Sarah ist eine unglaublich einnehmende und herzliche Person. Wir verabschieden uns wie langjährige Freundinnen. Und nicht ohne dass sie mir vorher noch Namen und Kontakte von weiteren Designern angegeben hat. Also, es gibt zu tun, yalla!
Interview-Serie, #1, with Sarah Beydoun, founder and director of Sarah’s Bag
Headquarter and showroom of Sarah’s Bag are so well hidden in Gemmayze, that the friendly gentleman of Fransa Bank (that has been indicated as a landmark) accompanies me there. I am being welcomed by Maya, the responsible for marketing and PR. She shows me around the sales room until Sarah is ready to see me. There is a lot to admire. The new masterpieces of her FW16/17 edition “Psychedelia“ for instance are an absolute dream. Not to mention the house itself, one would want to live here. But as Sarah will confirm later on, it’s too romantic a dream, since it really does get too cold in wintertime. Nevertheless it does a lot for business and the atmosphere at Sarah’s bag.
Enters Sarah. She welcomes me very cordially into her office and sits right next to me on the sofa. Above all she is interested in my person and of course sees, that I am wearing one of her bags. I explain my blog “Anderswo ist überall (elsewhere is anywhere)“ to her and my aim to share my experience in Beirut on different topics and bring Lebanon and the middle east closer to those at home. I have a standard questionnaire with just few questions that will allow a conversation.
Sarah, where have you been born and raised?
I was born and raised in Beirut. We have lived near a pine forest garden. I have a brother who now lives in Dubai and a sister, Malek, who also works for the company. My parents are still in Lebanon, my mum is also sporadically involved in Sarah’s bag.
I remember my childhood as a chilled one. Despite the ongoing war in Lebanon, we have moved around a lot depending on where it was calmer, sometimes to my grandparents in the mountains, or with my aunt, etc. For my parents, it must have been a horrible time, for us it was just normal. Shortly after taking up my studies in The American University in Beirut, the war finally came to an end.
I am married with two sons (14 and 11 years old). I love my work so much that I also consider it my hobby. But I also love dancing in my free time, especially belly dancing; The bag you are wearing (pointing to my clutch) e.g. is inspired by belly dancing. Each one of my bags is related to me and to my life.
What is your favorite childhood memory?
I remember very fondly the many summer vacations that we spent in Tyr, the South of Lebanon, where my grandparents had a house. One summer holiday I remember in particular, since we were basically stuck there for 3 months because of the political situation in Beirut. We didn’t have a care in the world. We were barefoot from morning to evening, I think I spent the whole summer in the same T-shirt, Jean and flip-flops. Every day we were on the beach, we learned how to fish, we learned about nature. My aunt runs a Bed & Breakfast down there, you must go, it is a wonderful place.
Which wishes in your life came true?
I always dreamt of a fulfilled life. I have always had plenty of energy and was a bit crazy. I wanted and also did try out many things, in search of fulfillment. But actually, most of the time I was bored. I didn’t know what to study but then decided on sociology. I just didn’t know what direction I would take afterwards; I was interested in so many things. Shortly after I discovered working with women in prison, (link to previous blog) I was enlightened. For 2 months straight I could hardly sleep. This was exactly the kind of passion I was looking for: that circle! You order a bag, the worker from the village comes down to Beirut to collect the necessary items, brings everything back to her village where she instructs and teaches other women. Then she brings back worked fabrics to Beirut, where they are turned into bags by skilled artisans. The client is happy with this unique statement bag (and pays a fair price). I love every aspect of my job. I can be creative; I take care of design, marketing and financial matters but also stay in contact with the underprivileged women we work with. For the longest time I have not called myself a designer, since I felt I did not have the proper education for it. However, with time and practice, I did.
It’s hard to take long-term decisions, because of the situation in Lebanon. I often had a plan to do this or that but then had to adapt again, because the situation changed overnight. I would like to expand, but only so much that I can overview it and the work with local workers is assured.
Which word in arabic do I have to learn and what does it mean?
“Yalla!“ Yalla is a very energy-inducing, positive and pro-active word. It can mean, let’s go, let’s do this or chop, chop.
My first interview was a successful one. Sarah is an incredibly warm and charming woman, and made it very easy for me. We said goodbye like longtime friends, but not before she gives me names of other interesting designers and interview-partners. Goody, I have things to do. Yalla!